Interview zum #Danni: Das Uraltprojekt A49 entspricht nicht meiner politischen Überzeugung

Marcello, Co-Autor des Weblogs „Volksverpetzer“, hat mich im Interview zum Dannenröder Forst und der A49 befragt. Meine Meinung ist klar: Wir Grünen waren immer dagegen, jetzt ist wichtig, dass die Lage im Danni friedlich bleibt.

Hallo Katy,

danke, dass du dir in diesen turbulenten Zeiten die Zeit für uns nimmst, uns kurz die Situation im Danni aus deiner Sicht zu schildern.

Wie stellt sich die Lage heute faktisch dar?

Fakt ist, dass es einen gerichtsfesten Planfeststellungsbeschluss gibt und die vorbereitenden Arbeiten für den Weiterbau der A49 laufen. Das heißt, dass die Trasse gerodet wird und die Baumhäuser der Waldbesetzung zuvor geräumt werden. Leider haben sich Verkehrsminister Scheuer und die Bundestagsmehrheit davon auch in den letzten eineinhalb Jahren nicht abbringen lassen. Keine noch so großen Proteste und kein politischer Antrag haben da einen Sinneswandel bewirkt.

Wie ist es, als grüne Politikerin etwas politisch durchsetzen zu müssen, was eventuell nicht deiner Überzeugung entspricht.

Was heißt, eventuell. Dieses Uraltprojekt entspricht nicht meiner politischen Überzeugung. In Zeiten des Klimawandels ist es ein Wahnsinn, noch mehr Autobahnkilometer zu bauen, statt das Geld in Schienenprojekte und damit in die Verkehrswende zu stecken. Und trotzdem gehört es für mich dazu, demokratisch getroffene Entscheidungen zu respektieren. Politik kann man nicht rückwärts heilen. Das ist für eine junge Abgeordnete wie mich durchaus schmerzlich.

Fühlst du dich manchmal auf der falschen Seite?

Nein. Ich bin in die Politik gegangen, um meinen Kindern eine lebenswerte Welt zu hinterlassen. Und das mache ich auch. Wir treiben die Verkehrswende in Hessen voran. Da, wo wir Verantwortung tragen. Und müssen nicht in Sack und Asche gehen, weil Andreas Scheuer und die Bundestagsmehrheiten dieses alte Autobahnprojekt durchziehen. Wir waren immer gegen die A49. Und haben als einzige Partei einen Antrag auf ein Moratorium und die Offenlegung der Verträge im Bund gestellt.

Klingt trotzdem leichter, als es bei Deinen Einsätzen vor Ort wahrscheinlich ist.

Ich finde es wichtig, sich des eigenen Standpunkts gewiss zu sein. Und von diesem aus zu versuchen, andere in ihren Standpunkten zu verstehen. Gespräche mit allen Beteiligten waren mir in den letzten eineinhalb Jahren immer wichtig. Mittlerweile ist Dialog aber schwer. Seitdem die Räumungen und die Rodungen laufen, gibt es nur noch schwarz oder weiß. Für oder gegen die Autobahn, vor oder hinter der Barrikade.

In den letzten Tagen und Wochen gab es viel Gewalt: Bei den Räumungen, bei Protestaktionen im Wald und natürlich auch gegen die Polizei. Was kannst du dazu sagen?

Die Lage im Wald versteht nur, wer immer wieder da war. Wer die Hoffnung der Besetzung im letzten Jahr gespürt hat, den Wald zu retten und diese Autobahn doch noch zu verhindern. Wer das Zusammenleben der Menschen in den Baumhäusern erlebt hat und welche Gemeinschaft da gewachsen ist. Wer gesehen hat, dass diese Baumhäuser vielen ein Zuhause waren, die sonst keinen Ort für sich finden. Nur der versteht die Enttäuschung, den Frust und letztlich auch die Wut, dass alle Proteste, alles Aufbäumen nicht dazu geführt haben, dass nicht geräumt oder gerodet wird. Die Geschwindigkeit hat übrigens alle überrascht. Mich eingeschlossen. Und nun ist der Konflikt wie aufs Gleis gesetzt und man steht ein Stück weit fassungslos daneben, wie sich die Spirale aus Aktion und Reaktion dreht. Letztlich begegnen sich im Wald gerade nur noch Rollen, keine Menschen mehr. Und ich fürchte, das wird sich auch nicht mehr ändern. In der Eskalation erinnert das schon auch ein bisschen an die Startbahn West. Ich hoffe nur, dass niemand mit dem Leben bezahlt.

Was wird aus deiner Sicht gegen eine Eskalation unternommen?

Es gab viele Versuche und gibt sie immer noch. Angefangen von Aufrufen der Polizei zu friedlichen Protesten am Anfang der Räumungen und Rodungen, über Appelle zur Gewaltfreiheit nach den ersten Angriffen auf die Polizei. Es gab Vermittlungsversuche der Kirchen, Pressekommentare, Blogeinträge. Und auch meine Fraktion und ich haben mehrfach versucht zu deeskalieren. Vor und hinter den Kulissen. Letztlich wird aber das auch nicht mehr neutral bewertet. Man wird immer einer Seite zugeordnet. Was wir versucht haben und bis heute machen ist, durch unsere Anwesenheit als parlamentarische Beobachter*inne im Wald zu deeskalieren. Und natürlich auch am Rande der Einsätze immer wieder mit allen Beteiligten zu sprechen.

Was heizt den Konflikt im Wald an?

Ich spüre schon einen enormen Druck, der auf dem Projekt lastet. Da ist zum einen der zeitliche Korridor, in dem Rodungen laut Naturschutzgesetz überhaupt durchgeführt werden dürfen. Zusätzlichen Druck hat Andreas Scheuer durch seine ÖPP-Verträge ins System gegeben, die Strafzahlungen bereits dann vorsehen, wenn das Gelände nicht fristgerecht gerodet übergeben wird. Dann hat natürlich jede Seite im Wald irgendwann auch den Druck, bei ihrer Mission erfolgreich zu sein. Und immer, wenn starke Emotionen ins Spiel kommen wie Enttäuschung, Frust oder Wut, gibt es noch mehr Druck auf den Kessel. Die Vorfälle, bei denen Aktivist*innen schwerstverletzt worden sind, haben natürlich stark emotionalisiert. Genauso wie die Angriffe auf die Polizei aus der Besetzung heraus. Das ist aber nur ein Teil der Wahrheit. Letztlich gibt es viele Interessen im Wald und nicht alle haben etwas mit Klimaschutz oder dem Erhalt des Dannenröder Forsts zu tun. Die A49 ist auch ein Wahlkampfthema geworden und viele versuchen sie für ihre Zwecke zu benutzen.

Wenn Grün alles anders machen will: Wie müssen Planungen für Großprojekte künftig aussehen?

Sie müssen sich natürlich an den Pariser Klimaschutzzielen orientieren. Damit sind Projekte wie die A49 schon mal raus. Dann sollte Politik künftig viel mehr zuhören, erklären und ins Gespräch gehen, als das jetzt oft geschieht. Weil das letztlich auch die Akzeptanz für Projekte erhöht.

Was bleibt vom Dannenröder Forst an Lehren für die Politik und die Gesellschaft?

Ich hoffe, eine Menge. Die Einsicht, dass sich Politik auch revidieren muss, wenn sich die Vorzeichen für ein Projekt nach 40 Jahren geändert haben. Die Bereitschaft, nicht alles dem privaten Markt zu überantworten und z.B. ÖPP-Verträge abzuschließen, die uns letztlich das Heft des Handelns aus der Hand nehmen. Die Fähigkeit, Kritik an Projekten und gewaltfreie Proteste bis hin zu zivilem Ungehorsam zu ertragen, was derzeit nicht alle hinbekommen. Die Offenheit für Gespräche mit allen, die zum Dialog bereits sind – und zwar nicht erst, wenn sich Menschen unversöhnlich gegenüberstehen wie nun im Dannenröder Forst. Politik wird stärker vermitteln müssen. Und Bürgerinnen und Bürger sich stärker interessieren und auch einbringen, bevor letztlich in einem Projekt die Bagger rollen. Wichtig fände ich es auch, wenn sich alle klarmachen, wie wichtig unser Rechtsstaat ist und wie viel auf dem Spiel steht, wenn wir ihn preisgeben.

Ich habe verstanden, dass das Projekt nur noch vom Bauherrn, also Bundesverkehrsministerium Andreas Scheuer, gestoppt werden kann. Juristisch sei alles ausgeschöpft. Ist dies so korrekt?

Ja, juristisch ist der Kampf gegen die Bundesautobahn 49 verloren worden – und zwar letztinstanzlich beim Bundesverwaltungsgericht im Juni 2020 in Leipzig.

Ich danke dir für diese offenen Aussagen und nehme mit, dass nur ein Einlenken im Verkehrsministerium helfen würde, das Thema noch einmal zeitgemäß aufzuarbeiten.

Kommentar verfassen

Artikel kommentieren

Verwandte Artikel