Citybahn: Wenn Betonköpfe nur vom Parkplatz bis zur Straße denken

Über 60 Prozent der Wiesbadenerinnen und Wiesbadener haben gestern gegen die Citybahn gestimmt. Und die Niederlage ist bitter: Denn nicht nur die Landeshauptstadt hat verloren, sondern auch Mainz, Bad Schwalbach und Taunusstein. Die Region westlich des Rhein-Main-Gebietes hat verloren. Die Umwelt, ja letztlich ganz Hessen.

Und was manche nicht sehen oder sehen wollen: Auch die Autofahrerinnen und Autofahrer, von denen sich viele darüber heute noch freuen, dass die umweltfreundliche und verkehrsentzerrende Bahn nicht kommt, haben verloren.
 
Denn die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hatte bereits vor der Volksabstimmung klargemacht, dass in Wiesbaden Fahrverbote drohen, wenn die Citybahn nicht gebaut wird. Zwar konnte Wiesbaden im Februar 2019 als erste Stadt eine Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) für ein Dieselfahrverbot abwenden, allerdings nur unter der Prämisse, dass die Landeshauptstadt ein Verkehrskonzept vorlegt, das die Gerichtsbarkeit überzeugt. Und Wiesbaden hat geliefert.
 
Teile des Konzepts, für das Verkehrsdezernent Andreas Kowol wie ein Löwe gekämpft hat: 56 Elektro-Busse im Linienverkehr 2020. Zwei Monate vor Ende des Jahres fahren gerade einmal zehn. Hier gesteht selbst die Umwelthilfe Wiesbaden zu, dass die Hersteller in der Produktion nicht nachkommen. Aber: Eine verspätete Inbetriebnahme sorgt dafür, dass die Stickstoffwerte steigen. An der Ringkirche und an der Schiersteiner Straße wurden sie im September wieder überschritten. Hier sollen „Umweltspuren“ für Fahrräder und Busse helfen, die aber noch nicht fertig sind.
 
Weil die Maßnahmen, um die Stickstoffbelastungen in Wiesbaden zu reduzieren, nur schleppend vorankommen, wäre es gerade die Citybahn gewesen, die dafür hätte sorgen können, dass Grenzwerte eingehalten und Fahrverbote vermieden werden können.
 
Seit gestern steht fest: Die Kurzsichtigkeit hat gesiegt. Die Citybahn kommt nicht. Sie ist erstmal Geschichte.
 
Mit offensichtlich vorgeschobenen „Argumenten“ und gut gefüllten Kriegskassen traten jene auf einmal als Baumschützer und Kämpfer für das historische Stadtbild auf, die sonst nicht gerade im Verdacht stehen, sich für Umweltbelange zu interessieren. Protestschilder mit der Aufschrift „Wir fürchten um den Wert unserer Grundstücke“ oder „Wir haben Angst um die Parkplätze in unserer Stadt“ wären ehrlicher gewesen.
 
Parkplätze übrigens, auf denen die Gegner des Projekts (zumindest mit ihren Dieseln) bald ausgiebig stehen bleiben können. Die Citybahn hätte das das womöglich verhindert.
 
Mit diesem Post möchte ich mich aber auch bedanken. Bei allen, die sich für die Citybahn, die Umwelt, für Wiesbaden, Mainz, Bad Schwalbach, Taunusstein, die Vernunft und Hessen eingesetzt haben. Ganz vorneweg bei Bürgermeister Gert-Uwe Mende und dem grünen Verkehrsdezernenten Andreas Kowol. Andreas, du hast gekämpft und bist für Dein Engagement sogar noch persönlich angefeindet worden. Das ist geschmacklos, aber tröste Dich: Nur große Ideen werden bekämpft. 😉
 
Und natürlich gilt mein Dank auch allen Bürgerinnen und Bürgern, die sich für die Citybahn eingesetzt haben. Die auf Veranstaltungen, in persönlichen Gesprächen und Initiativen für das Richtige gekämpft haben.
 
Und den 37,9 Prozent der Wiesbadenerinnen und Wiesbadenern, denen die Luft in ihrer Stadt und die Gesundheit der Menschen wichtiger waren als Grundstückspreise, Parkplätze und letztlich die autogerechte Stadt.

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