Meine Rede zur A49 und dem Dannenröder Forst – Was wir Grünen zu sagen haben

Wir Grünen waren immer gegen die A 49. In meiner Rede vom 1. Oktober beziehe ich Stellung zu den Protesten im Dannenröder Forst.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde nicht versuchen, dem ganzen Testosteron etwas entgegenzusetzen. Vielmehr werde ich es ein bisschen ruhiger angehen.
Ich glaube nämlich, dass man das Projekt ein bisschen sachlicher diskutieren kann. Das würde ich gerne versuchen.

Ich bin eine neue Abgeordnete und seit eineinhalb Jahren in diesem Haus. Als Sprecherin für Straßenbau der GRÜNEN begleitet mich der Bau der A 49 seit dem ersten Tag. Ich möchte Ihnen heute eine ein bisschen persönliche Sicht auf dieses Projekt geben. Vielleicht interessiert das den einen oder anderen jenseits der Schreiereien über die Parteigrenzen hinweg. Danke schön.

Wir Grünen waren immer gegen den Ausbau der A49. Meine Frage an die SPD Hessen und die DIE LINKE: Wo wart ihr in den letzten 40 Jahren? #dannibleibt

Gepostet von Katy Walther – Grüne Landtagsabgeordnete – Wahlkreis 44 am Dienstag, 6. Oktober 2020

Die Verkehrspolitik der letzten 60 Jahre kann man, rückwärts gesehen, nicht heilen

Ich habe sieben Dinge aus dem Projekt der A 49 gelernt. Die würde ich Ihnen gerne mitgeben. Der Straßenbau ist für die GRÜNEN ein Projekt, das ihnen wichtig sein muss. Denn wir haben Bedürfnisse hinsichtlich der Mobilität, die gerade im ländlichen Raum ohne das Auto im Moment noch nicht befriedigt werden können.
Wir GRÜNE stehen dafür ein, dass wir da nicht überziehen dürfen. Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten, hat Herr Dr. Naas schon gesagt. Das ist richtig. Denn es ist unsere Politik: Die autogerechte Republik und die Klimaschutzziele gehen nicht zusammen. Von daher ist es gut, dass wir in Hessen in der Koalition aktiv an der Verkehrswende arbeiten.

Die Verkehrspolitik der letzten 60 Jahre kann man, rückwärts gesehen, nicht heilen. Das ist eine schwere Erkenntnis für eine junge Abgeordnete. Denn wir alle sind mit Zielen und Visionen in diesen Landtag eingezogen. Die A 49 ist ein jahrzehntelanges Projekt, das von anderen Mehrheiten in anderen Häusern immer wieder beschlossen und vorangetrieben wurde. Das rückabwickeln zu wollen, wird in dieser Phase niemandem mehr gelingen, auch wenn die Mitglieder der LINKEN etwas anderes suggerieren.

Der Wald ist mehr als eine Ansammlung von Bäumen

Seitdem wir gemeinsam mit der CDU die Regierung stellen, machen wir es anders. Bei der Investition in die Straßen setzen wir auf Erhalt vor Neubau. Der Straßenneubau ist die absolute Ausnahme. Zudem arbeiten wir mit Flatrate-Angeboten, Investitionen in die Schiene und in die Radinfrastruktur an der Verkehrswende mit. Je mehr Menschen sich heute und in der Zukunft für die Verkehrswende einsetzen, desto geringer wird die Chance, dass in Zukunft Projekte wie der Weiterbau der A 49 durchgesetzt werden können.

Der Wald ist mehr als eine Ansammlung von Bäumen. Er hat Freizeitwert. Er bringt Entschleunigung. Er bindet CO2. Er ist für viele Menschen aber auch Schauplatz der Kindheit. Heute hatten wir einen Anruf von einer 86 Jahre alten Dame aus Dannenrod. Sie macht sich Sorgen um ihre Heimat und um den Wald, den sie von früher kennt. Ich war in den letzten Wochen immer wieder da. Ich war bei den Bürgerinitiativen vor Ort und den Menschen, die im Dannenröder Forst protestieren. Für sie ist der Dannenröder Forst jetzt auch eine Art Utopia geworden. Sie haben sich dort einen Ort geschaffen und wollen neue Lebensentwürfe ausprobieren. Gesellschaftliche Verwerfungen werden dort wie unter einem Brennglas sichtbar. Es geht dabei um Wohnungsnot, soziale Kälte und die Erfahrung von Diskriminierung und Gewalt.

Künftige Bauprojekte müssen mit Klimaschutzzielen vereinbar sein

Die Menschen dort erproben ein Zusammenleben jenseits der Geschlechterrollen, wertschätzen sich, organisieren sich selbst und unterstützen sich gegenseitig. Wenn man bereit ist, hinzuschauen, kann man daraus etwas lernen. Der Dannenröder Forst ist ein Symbol für die Notwendigkeit einer Verkehrswende. Wie der Hambacher Forst ein Symbol für die Energiewende ist, wird auch von den Protesten im Dannenröder Forst ein Signal ausgehen.

Die A 49 wird gebaut werden. Aber sie wird als erstes Projekt in die Geschichte eingehen, das medial und von der Bevölkerung begleitet und hinterfragt wird. Künftige Autobahnprojekte werden sich einer anderen Aufmerksamkeit stellen müssen. Vor dem Hintergrund des Klimawandels wird das anders diskutiert werden. Es wird vor allen Dingen auch anders geplant werden müssen. Uns GRÜNEN ist dabei wichtig, die Finanzierung und Planung aktueller und zukünftiger Bauprojekte müssen mit den Klimaschutzzielen vereinbar sein.

Wir Grünen haben den Ausbau der Bundesautobahn 49 stets abgelehnt und bleiben bei dieser Bewertung

Derzeit wird im Rahmen der Kosten-Nutzen-Untersuchung nur der volkswirtschaftliche Nutzen der Infrastrukturprojekte errechnet und den Investitionskosten gegenübergestellt. Nachhaltigkeit und Klimaschutzaspekte spielen keine Rolle. Wir haben aber die Pariser Klimaschutzziele einzuhalten, weshalb wir fordern, dass Umweltaspekte als zusätzliche Kategorie in die Beurteilung hinsichtlich des Bundesverkehrswegeplans mit aufgenommen werden müssen.

Was ich als junge Abgeordnete auch sehr schnell gelernt habe, ist, dass es einfach ist, in der Opposition zu sein. Wir GRÜNE haben den Ausbau der Bundesautobahn 49 stets abgelehnt und bleiben bei dieser Bewertung. Jetzt wird es wichtig: Unsere Bundestagsfraktion hat einen Antrag für ein Moratorium gestellt, der von der Mehrheit abgelehnt wurde. Die Fraktion DIE LINKE, die heute so dagegen demonstriert, hat uns einen Antrag vorgelegt, der suggeriert, dass sie sich an dem 40-jährigen Widerstand gegen dieses Autobahnprojekt immer beteiligt haben. Das ist leider nicht so. Wo waren Sie denn in den letzten 40 Jahren?

Wo waren SPD und Linke in den letzten 40 Jahren, als wir gegen die A 49 protestiert haben?

Wo waren Sie denn in den letzten 40 Jahren, als sich die grünen Orts- und Kreisverbände dagegen aufgestellt haben, Anträge eingereicht und zu Protestaktionen aufgerufen haben? Sie waren zu Hause. Jetzt gehen Sie auf die Straße und suggerieren, dass wir dieses Projekt in Hessen stoppen könnten. Sie wissen ganz genau, dass wir in Hessen keine Handhabe haben, dieses Projekt heute zu stoppen.

Eine weitere Erkenntnis aus dem langen Prozess der A 49 ist, dass der Rechtsstaat funktioniert. Aber er steht für viele zur Disposition. Dass der Rechtsstaat funktioniert, haben die Entscheidungen zugunsten der Protestcamps gezeigt. Auch die Planungen zum Bau der A 49 wurden immer wieder vor Gericht verhandelt. Die Entscheidungen mögen uns nicht gefallen. Aber sie sind zu akzeptieren. Wer sich aussucht, welche Entscheidungen er akzeptiert und welche nicht, legt die Hand an den Rechtsstaat und damit an das Fundament unsere Demokratie und unseres Zusammenlebens.

Das Projekt A 49 tut uns Grünen weh – bis heute

Es ist so: Das Projekt tut uns GRÜNEN weh, und zwar bis heute. Aber die Beschlüsse nicht umzusetzen, das wäre Rechtsbruch und Willkür. Das wird es mit uns GRÜNEN in der Regierung nicht geben. An dieser Stelle würdige ich noch einmal ausdrücklich das Engagement der Umweltverbände, der Bürgerinitiativen und der Interessengemeinschaften in der betroffenen Region, die eine wichtige Triebfeder für eine angemessene Würdigung der Umwelt, der Gewässer und des Lärmschutzes beim Straßenbau in dieser Region waren.

Jetzt möchte ich gerne noch ein Wort zu den Protesten verlieren. Teilweise wurde versucht, sie zu kriminalisieren. Seit heute wird im Herrenwald gerodet. Wir alle schauen mit Sorge auf die nächsten Wochen. Wichtig ist, dass die Proteste friedlich bleiben und die Kommunikation zwischen allen Beteiligten nicht abreißt. Pauschalisierungen nützen niemandem. Weder gibt es die Polizei, noch gibt es die Demonstranten. Im Wald sitzen Menschen, und in den Uniformen stecken Menschen. Das sollten wir immer im Kopf haben.

Politik darf sich nicht verschanzen – Bürgerinitiativen und Umweltverbände müssen gehört werden

DIE LINKE hat hier keinen Appell zur Gewaltlosigkeit adressiert. Ich finde, das ist mehr als bedenklich. Ich will ein letztes Thema ansprechen, bevor meine Redezeit um ist. Die Politik darf sich nicht verschanzen. Vielmehr muss sie sich erklären. Das gilt für uns alle hier und für jedes Projekt, das wir verabschieden. Den Dannenröder Appell haben Menschen aus vielen gesellschaftlichen Gruppen unterschrieben. Dies sind die Initiative „Fridays für Future“, der BUND, der NABU, „Scientists for Future“, die Kirchen, Fremdenverkehrsvereine und die Friedensinitiativen. Sie dürfen wir in der Debatte nicht verlieren. Sie alle wollen mitreden. Wir müssen sie mitreden lassen, und zwar mit Respekt, Fairness und Offenheit. Vielen Dank.

Kommentar verfassen

Artikel kommentieren

Verwandte Artikel